WORLD EQUESTRIAN
GAMES 2002 - JEREZ DE LA FRONTEIRA
Ein Steward
im Regen ist kein Stier - Bericht
von Marguerita Wagner
Daß in Spanien alles spanisch ist, hatte ich erwartet.
Daß kaum jemand etwas anderes spricht als Spanisch, bei einer Weltmeisterschaft
eigentlich nicht. So dauert es nach unserer Ankunft in Jerez geschlagene drei
Stunden, in denen wir von Chapin zum Accreditierungszentrum und zurück
geschickt werden, bis wir endlich die nötige Karte um den Hals hängen
haben.
Den Freitag verbringen Horst Müller (Chiefsteward und Mitglied FEI Endurance
Committee), Inge Harbach und ich, verstärkt durch zwei spanische Stewards,
damit, die Strecke abzufahren und vor allem das Trot-By zu suchen, das inmitten
einer Stierkoppel vermutet wird und schlußendlich sowieso woandershin
verlegt wurde. Da die Meinung der Allgemeinheit dahingeht, daß ein Chiefsteward
für alles zuständig ist, auch für die deutliche Markierung zum
Klo, ist der Tag recht stressig.
Während Horst sich damit plagt, das Sekretariat von der Notwendigkeit von
Tages-Akkreditierungen für zusätzliche Grooms usw.zu überzeugen,
beschließe ich, den Start zu suchen (ein Spanier hat mir geflüstert,
daß der ganz woanders ist als die meisten vermuten). Schlauerweise habe
ich mir bei Paul Weier in Chapin einen Plan besorgt. Wie sich später herausstellt,
war das eine sehr gute Idee, denn unsere Groundjury-Präsidentin hätte
ohne meine Information am Montag früh im Regen vermutlich umsonst im Vetgate
auf irgendwelche Reiter gewartet....
Für den Ritt-Tag haben wir Verstärkung zugesagt bekommen in Form von
5 General-Stewards (unter anderem auch unseren Frank Spadinger, der unermüdlich
bereits seit einer Woche im Einsatz ist - alle Achtung!). Um 6 Uhr stehen wir
am Stallausgang parat, ich soll die Startnummern aufschreiben, es regnet jedoch
Kühe und Stiere (Cats and Dogs wär untertrieben) und mein Block schwimmt
davon, sodaß ich die Nummern anschließend nur dank meiner esoterischen
Fähigkeiten entziffern kann.
Im ersten Vetgate ist natürlich die Hölle los, und es ist ja eigentlich
fast unmenschlich, daß wir die Leute aus dem schützenden Dach vertreiben
müssen. Ich bekomme nur am Rande mit, daß DARIKA bereits ausgeschieden
ist und DALMAZ weiterläuft. Zwischendurch erkundige ich mich nach LUMBUSH
und SANCHO, erfahre von einigen gerade eintreffenden Grooms, daß LUMBUSH
lahmt. Ich frage Frank, ob er Harald hat rausreiten sehen, der verneint und
ich vermute schon, daß er draußen ist, was sich später bestätigt.
Ich bewundere die Arbeit von Beate Grün (Teamchef der Deutschen) und Lioba
Wagner (Vet), die ständig überall sind und die Reiter motivieren und
profimäßig zusammenspielen. So eine Betreuung hätt ich mir auch
mal gewünscht.
Zwischen zweiter und dritter Runde wird es naturgemäß ruhiger im
Vetgate, und ich beobachte einen Russen, der in der Vetkontrolle mühevoll
sein Pferd nachschleift und ihm absolut keinen Trabschritt abringen kann. Der
russische Equipechef steht grad zufällig neben mir und auf meine Frage,
ob er nicht helfen wolle, wacheln oder so, meint er nur: "Ich EQUIPECHEF!"
- also eindeutig nicht für niedrige Dienste dorthingestellt. Naja.
Soweit mir Zeit bleibt, versuche ich Zwischenergebnisse an Manu durchzugeben.
Zur Zeit führt noch Antonio Rosi, verfolgt von Hamdan Maktoum. Das dritte
Gate jedoch wird letzterem zum Verhängnis - sein Pferd lahmt.
Nun jedoch zeigt Ahmed, was ein Maktoum ist. Der erst 16jährige Jungscheich
überholt Antonio Rosi genau im richtigen Moment, setzt sich ab und reitet
profimäßig den Sieg nach Hause. Es ist sehr berührend, wie er
bei der Nachkontrolle den Hals seines Pferdes einfach nicht auslassen will,
umringt von einer Unmenge Fans.
Ich habe den Auftrag, das Pferd zur Dopingkontrolle zu bringen, und mir wird
etwas mulmig, wie soll das denn gehen?? Vater Scheich umringt von Fans und hübschen
Mädels präsentiert den neuen Weltmeister stolz der Presse - er übergibt
mir jedoch sofort und lachend den Champion, ohne irgendwas. Horst hatte mir
schon mal gesagt, mit den Maktoums gäbe es niemals Probleme - ich find
es trotzdem großartig. Und wenn auch die Neider es nicht gerne sehen -
die Zukunft des Distanzreitens liegt in arabischer Hand. Keiner hat je diesen
Sport derartig gefördert, und eigentlich sollten wir froh darüber
sein und uns nicht in kleinlichen Eifersüchteleien verlieren.
Von den Österreichern ist nur mehr SANCHO im Rennen, DALMAZ ist mit Pulsproblemen
ausgeschieden, schade, er war wirklich gut unterwegs. Den Puls von Nachwuchs-As
Sophie Mauritsch hätte man allerdings in diesem Gate auch nicht messen
dürfenJ. Der Speed wurde aufgrund des Wetters auf 10km/h reduziert, daher
stehen Horst und ich um Mitternacht an der Finishline und harren der vereinzelten
Reiter.
Der russische Equipechef watschelt daher und wir denken, heissa, jetzt gibt's
Hochprozentiges, aber er zuckt nur die Schultern "oje, letzte Pferd, eliminated
- vergessen Re-Check schicken!" Na dann, heil Wodka! Mittlerweile ist auch
Gabi im Ziel - alle Hochachtung vor SANCHO! Wie mir mein Teammitglied Beccy
Broughton erzählt, war dies die schwerste Strecke, die sie je geritten
ist - und die ist wirklich ein Profi.
Daß zwei Pferde gestorben sind, erfahren wir erst am nächsten Tag
- über die wahren Gründe dieses Dramas werden wir hoffentlich bald
Klarheit haben.
Die Siegerehrung wird kurzfristig von der großen in die kleine Halle verlegt,
die nächste Frechheit des OC, alle warten auf den Beginn, die Maktoums
sind schon längst da, die französischen Pferde auch, jedoch: der französische
Equipechef und seine Reiter fehlen - und einige Reithosen und Sättel! Heidi
Bernsdorff meint, die Franzosen könnten ja ohne Reithosen reiten - sind
doch fesche Jungs *g*!
Enttäuschend ist, daß die Plazierten nicht alle eine Plakette bekommen,
wie die Ausschreibung es eigentlich vorsieht. Weiters mußte der junge
Weltmeister nochmals zur Schlußzeremonie eingeflogen werden - und wurde
dann nicht mal erwähnt. Alles sehr nette Aktionen der dortigen Organisation,
nicht? Daß die Preise dafür scheichgerecht waren, haben wir auch
alle gemerkt (10 Euro für einen Kaffee.)
Ich jedenfalls bin nach diesem zweiten internationalen Einsatz als Steward zu
der Erkenntnis gelangt, daß Distanzreiten wesentlich einfacher ist als
Distanzstewarding - und man kann zumindest immer irgendwen zusammenscheißen,
wenns nicht klappt *g*!
Olé!