Es ist Dienstag der 9.Juli 2002, 22:00 Uhr. Eine Karawane mit
sieben Auto-Anhängergespannen, beladen mit insgesamt zehn Pferden, und
einigen Groomingfahrzeugen begibt sich auf die weite Reise nach Göttingen
im Mittelpunkt von Deutschland. Ca. 1000 km liegen vor uns.
Alle zwei Stunden müssen wir anhalten, um die Pferde zu tränken und
ihnen Futter zu geben. Bis fünf Uhr morgens läuft alles recht gut,
doch mit der Zeit bemerkt man bereits die ersten Ermüdungserscheinungen,
und so wechseln sich die Fahrer immer häufiger ab.
Doch endlich, nach vierzehnstündiger Fahrt, kommen wir um ca. 12:00 Uhr
mittags, glücklich, aber recht müde am Turnierort an. Gleich werden
wir herzlich von den Deutschen empfangen, und somit wird uns auch etwas die
Angst genommen, ist es doch für die meisten der erste internationale Start.
Das Wetter ist ziemlich schwül, und auch das könnte während des
Turniers ein Problem stellen, doch bereits am Abend gibt es auch schon den ersten
Wolkenbruch.
Am Donnerstag steht die Besichtigung der Strecke auf dem Programm, was wegen
fehlender Ortskenntnis sieben Stunden in Anspruch nimmt. Danach gönnen
wir unseren Pferden einen gemütlichen Spazierritt, bei dem wir die Strecke
etwas besser kennen lernen. Anschließend werden die insgesamt fünf
Pferde der 200 km-Reiter tierärztlich kontrolliert. Darunter auch das österreichische,
FURIANT. Es kommt gut durch den Check und darf also starten. Der Abend verläuft
eigentlich recht ruhig, ohne gröbere Vorkommnisse.
Mittlerweile ist es Freitag. Die Stimmung ist gespannter als sonst. Alle sind
relativ nervös. Die letzten Vorbereitungen werden getroffen.
Gerlinde Offenmüller ist mit ihrem Hengst FURIANT bereits auf der Strecke.
Sie befindet sich auf der ersten 100 km-Schleife. Leider ist ihr Pferd nach
80 Kilometer lahm und muss mit dem Anhänger geholt werden. Das ist ja kein
guter Anfang für Österreich, einige von uns beginnen an sich und ihrem
Vorhaben zu zweifeln.
Um 18 Uhr findet dann die Tierarztkontrolle für die 80- und 120 km-Starter
statt. Da mein Pferd nicht gerade sehr gerne vortrabt, bin ich sehr angespannt
und aufgeregt. Hoffentlich geht alles gut. - Ja, geschafft. Alle Österreicher
sind anstandslos durchgekommen, also steht dem morgigen Wettkampf nichts mehr
im Wege.
Drei Stunden später wird die Rittbesprechung von Juliette Mallison, der
Veranstalterin, durchgeführt. Danach gibt uns Harald Grinschgl, der der
Hauptorganisator dieser Göttingenreise ist, einige sehr nützliche
Tipps. Ein eher langsames Tempo und viel Vorsicht sind die Devise. Harald erklärt
uns noch die einzelnen Schwierigkeiten, und dann geht es auch schon ab ins Bett,
müssen wir doch alle, Grooms wie auch Reiter, für die anstehenden
Strapazen ausgeschlafen sein.
Es ist vier Uhr morgens, die ersten Grooms laufen hektisch auf und ab, Pferde-Getrappel
ist zu hören, nur noch zwei Stunden, dann wird es ernst, die Spannung steigt.
Ein eher dürftiges Frühstück, dann geht es los. Pferde putzen,
satteln und sich selbst bereitmachen.
Nun ist es so weit, es ist sechs Uhr. Das Startsignal. Alles verläuft recht
ruhig. Wir sechs Österreicher bleiben dicht beisammen. Es dauert nicht
lange, bis sich die Pferde gut eingelaufen haben. Noch ist das Wetter eher kühl,
doch es kommen schon langsam die ersten sehr warmen Sonnenstrahlen zum Vorschein.
Es ist ca. halb neun, als wir das erste langersehnte Vet-Gate nach 30 Kilometer
erreichen. Alles läuft soweit gut, die Grooms geben ihr Bestes. Alle kommen
problemlos durch die Kontrolle.
Eine halbe Stunde Pause, dann dürfen alle wieder auf die nächste Etappe.
Mittlerweile ist das Teilnehmerfeld gespalten, auch die Österreicher sind
nicht mehr alle beisammen. Ich habe fünf Minuten Rückstand auf Kerstin
Schön mit SHALIMAAR, die ich dann aber glücklicherweise wieder aufholen
kann. Wir reiten gemeinsam weiter bis zum zweiten Gate. Inzwischen ist es bereits
warm geworden. Doch mit viel Ruhe und Wasser schaffen wir auch dieses Gate ohne
Probleme. Die übrigen Österreicher haben ihren Vorsprung auf uns bereits
ausgebaut.
Es ist halb eins und wir machen uns gerade auf die dritte Schleife. Diese ist
schon etwas anspruchsvoller, als die anderen beiden und scheint niemals enden
zu wollen. Leider passiert uns hier ein schwerer Fehler. Unsere Grooms vergessen,
uns zu sagen, dass das Vet-Gate nicht mehr weit ist, und so traben wir im vollen
Tempo hinein. So müssen wir die ganzen zwanzig Minuten ausschöpfen,
um den Puls unserer Pferde unter sechzig zu bekommen. Was wir dann aber Gott
sei Dank schaffen. Nur leider ist das Pferd von Kerstin Schön beim Recheck
lahm und wird eliminiert. Das bedeutet für mich, dass ich alleine weiter
reiten muss.
Um ca. 15:20 Uhr mache ich mich dann also auf die nächste Runde. Immer
wieder begegne ich meinen drei österreichischen Teamkollegen, die die 80
Kilometer in Angriff genommen haben, bei ihnen funktioniert alles blendend.
Zunächst läuft auch mein Pferd NIKODEMUS sehr brav und auch noch willig.
Bergab laufe ich neben ihm her, um ihn etwas zu entlasten. Nach ungefähr
einer halben Stunde treffe ich dann, zunächst zu meiner großen Freude,
auf eine Deutsche, die ebenfalls 120 Kilometer bestreitet. Doch schon bald stellt
sich heraus, dass ihr Pferd völlig erschöpft ist und nicht einmal
mehr antraben will.
Ich versuche ständig, mich von ihr abzusetzen, um alleine mein Tempo gehen
zu können, doch leider schaffe ich es nicht, da mein Pferd nicht gerade
gerne alleine unterwegs ist. Also werden dies die längsten und schlimmsten
zwanzig Kilometer meines Lebens. Weit und breit kein Groom in Sicht, ständig
geht es nur bergauf, und das nächste Vet-Gate scheint noch eine Ewigkeit
entfernt. Ich bin nahe der Verzweiflung und spiele schon mit dem Gedanken aufzuhören,
doch dann erreiche ich trotzdem irgendwie das letzte Gate. Währenddessen
sind die anderen Österreicher erfolgreich im Ziel angelangt.
Mein Pferd wirkt ziemlich erschöpft, aber seine Regenerationswerte sind
recht gut und so kommt es, dass mich die Tierärzte, zwar mit Bedenken,
aber doch, auf die allerletzten fünfzehn Kilometer schicken.
Sobald ich aber aus dem Gate reite, ist es so, als hätte ich ein anderes
Pferd unter mir. Er ist kaum mehr zu halten und will nur noch im vollen Tempo
galoppieren, bis ich zwei andere, die nicht viel vor mir waren, einhole. Bald
bemerke ich aber, dass die beiden sehr schnell reiten, und da ich im Ziel nicht
ausscheiden will, halte ich mein Pferd zurück, bleibe sogar stehen und
warte, bis sie außer Sichtweite sind.
Dann wird sich mein Pferd schon beruhigen, denke ich mir. Doch dem ist nicht
so. Er führt sich auf wie ein wilder Hengst, und sobald ich ihm die Zügel
nur etwas frei gebe, galoppiert er mit mir davon, und es dauert wieder einige
Zeit bis ich ihn halbwegs beruhigen kann. Auf diese Weise kommen wir dem Ziel
immer näher, wo uns alle gespannt erwarten.
Es ist 18:53 und wir überschreiten die Ziellinie. Wir kommen auch ohne
Probleme durch die letzte Kontrolle, und so gibt es den 13. Platz für mich
und NIKODEMUS. Die Freude ist bei allen sehr groß. Am Abend wird noch
ein wenig gefeiert und die Erfahrungen des Tages ausgetauscht.
Am Sonntag um neun Uhr findet dann die Nachuntersuchung statt, bei der festgestellt
wird, ob die Pferde zum Transport freigegeben werden können. Natürlich
bekommen alle österreichischen Pferde das Okay der Tierärzte.
Besonders glänzen wir bei der Siegerehrung. Erstens, weil acht von zehn
Österreichern durchgekommen sind und zweitens, da wir sogar zweimal (bei
80 und bei 120 Kilometer) die Mannschaftswertung gewinnen. Als Abschluss gibt
es dann noch eine Ehrenrunde im Trab.
Wenig später verladen wir unsere Pferde und treten, müde aber sehr
zufrieden, die Heimreise an. Am Ende möchte ich den Veranstaltern noch
ein Lob aussprechen, da es den Reitern wirklich an nichts gefehlt hat und sie
sich sehr gut um uns gekümmert haben.
Für mich persönlich war dieser internationale Ritt eine wichtige Erfahrung,
die mir sicher viel gebracht hat und die ich nicht missen möchte.