Unser (Vicky Langusch's und mein) Vorhaben, heuer unseren ersten
Hundertmeiler zu reiten, stand eigentlich unter keinem besonders guten Stern:
unser "Wunschritt" Wels wurde leider kurzfristig abgesagt, Aigen (doch
um einiges anspruchsvoller) war mir zu früh (ich konnte heuer nach einer
komplizierten Fußoperation erst spät zu trainieren beginnen). Nun
begann die fieberhafte Suche nach einem Ersatz. Internet sei dank - konnte die
Auswahl auf zwei Ritte eingeschränkt werden - die Deutsche Meisterschaft
in Eisborn bzw. die holländische Meisterschaft in Ermelo.
Nach telefonischen Recherchen und guten Ratschlägen deutscher Insider wurde
Eisborn (schwierigster Boden, kein gleichmäßiges Reiten möglich...)
abgehakt. Holland (speziell diese Gegend) war mir von einigen (Reit-)Urlauben
ein Begriff: landschaftlich wunderschön (Naturschutzgebiet Veluwe, Heide,
endlose Eichenwälder, bestens markiertes Reitwegenetz), nette, hilfsbereite
und pferdefreundliche Leute. Auf der eigens für diesen Ritt installierten
Homepage (www.fasnatrail.nl) gab es laufend News (Ausschreibung bereits im April!,
Zufahrtsbeschreibung, super Streckenkarten in Farbe zum download, Fotos, Wettervorschau,...).
Mitten in der Vorfreude tauchte das nächste Problem auf: Gerhard, mein
Mann, Groom und geübter Langstreckenfahrer konnte nicht mit - Urlaub gestrichen.
So machte ich Ende Mai in einem 14-tägigen "Schnellkurs" (nächtens
neben der Arbeit) den E-Führerschein, um wenigstens einmal die Fahrt sicher
zu stellen. Ich bestand zwar die Prüfung, aber ohne Fahrpraxis gleich 1200km
fahren?!? Da erbot sich Jörg Langusch, TARASAN gemeinsam mit CLEOPATRA
in seinem Hänger zu transportieren, und ich konnte somit den "toten"
Kram in den Hänger laden.
Groom wanted: wie schon so oft, rettete mich mal wieder Rita Völkl (vielen
Dank an Günther, Christine und Alex, die inzwischen Rita's Kinder, Pferde,
Hund, Katzen und Hühner versorgten!). Aber es wäre fad gewesen, wenn
jetzt alles weitere normal gelaufen wäre: TARASAN stach 4 Wochen vor dem
Ritt irgendein besonders giftiges Getier genau in die Sattellage - 2handflächengroße
Schwellung - reiten unmöglich.
Rita bekam am Wochenende vor der Abfahrt eine massive Halsentzündung, TARASAN
verletzte sich beim Longieren, Vicky wurde am Montag früh noch kieferchirurgisch
operiert (sie litt die ganze Woche unter massiven Schmerzen) und dann am Montag
abend als Draufgabe noch ein anaphylaktischer Schock bei Rita....Nach einer
schlaflosen Nacht um 4 Uhr raus und zur Arbeit gefahren, um 15 Uhr noch schnell
Lebensmittel eingekauft, Checkliste kontrolliert, Alex brachte eine fitte! Rita,
Jörg kam und lud TARASAN ein und, und, und ENDLICH (mittlerweile 19 Uhr
30) Abfahrt!
Die Hin-(wie auch die Rück-)reise verlief angenehm, ohne besondere Stau's
oder Unfälle, kein Regen, angenehm kühl für die Pferde. Zusätzlich
zu den verlängerten Tankstopps mit Fressen und Saufen luden wir die Pferde
in der Nacht auch ab und ließen sie eine zeitlang grasen (und die Chauffeure
schlafen...) So kamen wir nach insgesamt 16 Stunden Fahrt in einigermaßen
guter Verfassung an.
Leider war das Wetter grauslich - kalt, sehr windig, und Regen seit Tagen und
laut Wetterprognose keine Änderung in Sicht...der Campingplatz war daher
ziemlich verwaist, wer konnte schlief im Auto bzw. Rita und ich im Zelt unterm
Partyzelt (welches sich mehrmals selbständig machte).
Von Joan Eikelboom ("Mädchen für Alles" und Turniersekretärin/Organisationskomitee)
bekamen wir die Anlage und Hausbräuche erklärt (Paddock nur bei Tag
und mit Aufsicht, Stall in der Nacht geschlossen und bewacht, etc.).
Die Anlage - das königliche Reitsportzentrum - ist großartig: 10
Hektar großes Gelände, Koppeln für Paddocks, 3 Reithallen, mehrere
Dressurvierecke und Springplätze, eine Military-Strecke, 75 Gastpferdeboxen
(geräumig, sauber, teilweise klimatisiert, Waschplätze mit Warmwasser),
Restaurant, Duschen. Das gesamte Gelände wird penibelst gepflegt ("Golfplatz"rasen,
Blumen). Die Anlage dient überwiegend zur Abhaltung von Kursen, Seminaren
und Körungen. Einsteller gibt's nur von den Beschäftigten.
Bis Freitag wurde noch ein Nachwuchs-Dressur/Springkurs abgehalten, wobei sich
die Holländer als sehr wetterfest erwiesen - auch strömender Regen
hielt niemand vom Reiten ab.
Am Donnerstag trudelten nach und nach die ersten Distanzler ein, und der Regen
machte endlich Pause. Über Mittag machten wir mit unseren Kindern einen
Ausflug und am Abend erkundeten Vicky und ich per Pferd die nähere Umgebung.
Gleich an das Reitsportzentrum grenzt der Veluwe-Nationalpark mit einigen 100
km markierten Reitwanderwegen an. Die Strecken fürs Turnier waren bereits
fertig markiert. Der Regen war für den Heide/Sandboden gut, der Sand wurde
damit etwas verdichtet und war somit nicht so tief. Unsere Pferde knüpften
erste Kontakte mit den wildlebenden Rindern, die Wildschweinen bekamen wir Gott
sei Dank nie zu Gesicht.
Freitag wurde es dann stressig: in der Früh nochmal Reiten, Vormittag suchten
Rita und Jörg die besten Grooming-Punkte, Vicky, die Kinder und ich fuhren
noch schnell einkaufen; 12 Uhr Nennen, 14 Uhr Voruntersuchung, 16 Uhr Gewichtskontrolle
(70 kg), 19 Uhr Vorbesprechung. Zu meiner großen Überraschung und
Erleichterung gesellten sich noch zwei Super-Grooms zu uns: Bärbel Büchting
(international sehr erfahrene und erfolgreiche deutsche Distanzreiterin, sie
hatte eigentlich vor, hier selbst zu reiten) und Monique Lankhaar (eine Holländerin,
die viele Jahre in der Steiermark lebte, Araber züchtet und distanzerfahren
ist).
Samstag waren die Stallungen ab 3 Uhr geöffnet und ab 4 Uhr gab es Frühstück.
Um 6 Uhr ging es dann für 21 Starter aus 7 Nationen auf die 166 km lange
Strecke.
Minimumgeschwindigkeit war 12 km/h. Vet-Gates gab es nach 36 km (30 Min. Pause),
71,5 (45 Min.), 107,5 (45 Min.), 134 (45 Min.)und 155 km (15 Min. Pause), wobei
die 45 Minuten angenehm waren, da die Wege von der grooming-area (jeder Starter
bekam eine abgesteckte Parzelle auf einer riesigen Wiese (natürlich auch
mit "Golfplatz"rasen), mit Teich und Blumen vor einer großen,
überdachten Tribüne) zur In-Time bzw. zum Tierarzt etwas länger
waren.
Die einzelnen Strecken waren farbig markiert, vor den ersten Reitern fuhr ein
Helfer mit einem Quadrac (eine Art "Minitraktor") voraus, um eventuell
noch nachmarkieren zu können. An neuralgischen Punkten saßen Streckenposten.
Verreiten war absolut unmöglich.
Bis zum ersten Gate waren noch alle relativ dicht beisammen (ca. 16 km/h), aber
bereits hier brauchten einige Pferde bis zur In-Time schon recht lange. Ich
konnte bereits kurz nach Melanie Arnold (SIMPLE THE BEST) als zweite In-Time
anmelden (TARASAN hat ja noch in keinem Gate seiner bisher 14 Rennen länger
als 2 Minuten gebraucht und das sollte sich auch hier nicht ändern).
Inge Harbach (als Chiefsteward) versuchte, uns im ersten Gate beim Absatteln
noch auf unseren Grooming-Platz zu verscheuchen, hatte aber dann doch eingesehen,
dass TARASAN immer sofort danach (ohne Wasserpanscherei) zum Tierarzt kann.
Vicky hatte leider ein bisschen Pech, CLEOPATRA war ganz knapp drüber -
nochmal vorstellen, dass kostete leider relativ viel Zeit. Da meine größte
Sorge war, die geforderte Zeit nicht zu schaffen und ich daher möglichst
viel Reserve schaffen wollte, beschloss ich, nicht auf CLEO zu warten. Für
4 Pferde war hier bereits Schluß (2 lahm, 1 Herzflattern, 1 Aufgabe).
Ich konnte als zweite auf die 2. Runde gehen, Vicky startete als zehnte. TARASAN
lief auch auf diesen Streckenabschnitt die zweitschnellste Zeit (14,66 km/h)
und bereits nach 1 Minute konnten wir zum Tierarzt, Vicky war mit 13,13 km/h
auch noch gut unterwegs. Weitere 4 Pferde wurden hier wegen Lahmheit aus dem
Rennen genommen (auch Melanie Arnold's SIMPLE, nachdem er unterwegs schon ein
Eisen verloren hatte). Als Führende verließen wir das Gate!
Die 3. Runde war ident mit der ersten (nur umgedreht). Mittlerweile kannten
die Pferde alle Wege zurück zum Vet-Gate. TARASAN war mit 14,83 km/h noch
recht flott unterwegs. Für 5 Pferde kam hier das Aus: 2 lahm, 2 metabolische
Probleme und leider auch nach 107,5 km für CLEOPATRA. Beim Re-Check bekam
sie plötzlich Zwerchfellkrämpfe (allerdings nicht synchron mit dem
Herzschlag). Sie wurde sofort tierärztlich behandelt und nach einer krampflösenden
Infusion ging es ihr rasch wieder besser.
So waren's nur noch 8. Von nun an war ich alleine unterwegs. Auf der 4. Runde
kam für alle der Einbruch: teilweise sehr tiefer, morastiger Waldboden
kostete viel Zeit und Kraft. Für zwei weitere (die letzten verbliebenen
Schweizer) war hier wegen Lahmheit Schluss.
Auch TARASAN schlurfte beim Vortraben derart lustlos dahin, dass wir zum Re-Check
mussten. Da ich ziemlich starke Muskelkrämpfe hatte, war meine Stimmung
bereits im Keller. Meine routinierten Grooms bauten mich wieder auf, und Rita
konnte beim Vortraben TARASAN aus seiner Lethargie aufwecken (Ridgeway 44/42
- also kein Problem weit und breit).
Nun als dritte auf die vorletzte Runde mit (einzigem) Außengate. Hier
büßten wir dann alle Sünden der letzten 100 Jahre ab, hügerlrauf
und hügerlrunter, tiefster-mehliger Sandboden (3 Schritte vorwärts,
2 Schritte zurückrutsch), TARASAN kurz vor dem "Hungertod", im
Schleichschritt Heidelbeerstauden fressend, ging es endlos dahin.
Das Auf- und Absteigen zum Öffnen und Schließen der vielen Gattertore
wurde zur Mühsal, der Bauchgurt am letzten Loch, aber der Sattel rutschte
beim Aufsteigen, wieder neu Satteln, eine Erhebung suchend ... die Krämpfe
im rechten Bein wurden immer ärger. Sch....Hobby. Weit und breit kein Groom,
kein Haus, nichts außer Wald. Gemeinsam mit einer belgischen Reiterin,
die sich und ihr Pferd mit Gesängen motivierte, erreichten wir endlich
das Gate.
Nach 15 Minuten intensiver mentaler Aufbauarbeit meiner Helfer ging es auf die
letzten 11 km. Die belgischen Grooms (durch den Ausfall der anderen drei Reiter
eine ganze Menge) waren an jeder Ecke (versorgten auch mich immer mit! wie zuvor
auch die Grooms von Sophie de Beyer auf der 2. Runde) und fuhren auf den Asphaltstrecken
hupend neben uns her.
Im Trab zog KACHEL von Kristel v/d Abeele und im Galopp war es umgekehrt. Vor
dem Ziel meinte Kristel, sie wolle auf Sicherheit (Qualifikation für Jerez)
reiten und keinen "wilden" Zielsprint ausfechten. Daher wollten wir
gemeinsam reintraben, ihre Grooms feuerten sie aber derartig an, dass sie doch
angaloppierte - aber TARASAN erinnerte sich noch an seine Zeit auf der Galopprennbahn
- gut, dass am Ende die Tribüne stand...
Zur Nachuntersuchung schickte ich Rita, ich konnte vor Aufregung fast nicht
zusehen - alles OK - dritter! Platz nach 12 Stunden und 1 Minute. Nur mehr telefonieren,
duschen, schlafen... (bis 7 Uhr war der Stall sowieso geschlossen, nur die Tierärzte
sahen immer wieder nach den Pferden und eine Angestellte schlief in der Stallgasse).
TARASAN war am Morgen "danach" erstaunlich fit, trotz für ihn
ungewohnter Box mit tiefer Einstreu keine angelaufenen Beine. Rita meinte, ich
sollte TARASAN für Best Condition anmelden. Wer TARASAN kennt, weiß,
daß er beim Vortraben eher einer Schlaftablette, als einem energiesprühenden
Powerpferd entspricht.
Da aber anzunehmen war, daß zumindest gedanklich bereits nach der neuen
"Best Conditioned Judging Scorecard" bewertet werden würde (die
die In-Time-Zeiten, Puls vom Ridgeway-Test, etc. berücksichtigt), ließ
ich mich - widerwillig - überreden. Nach erfolgter Transportfreigabe -
auch bei CLEOPATRA war wieder alles in bester Ordnung - mußten die Anwärter
auf Best Condition Runde um Runde in der Halle traben (da es Rita's Idee war,
durfte sie laufen...).
Um 12 Uhr war dann Siegerehrung in einer geschmückten Halle mit Pferd an
der Hand. Als dann die Präsidentin der Vet-Komission die Best Condition-Regeln
den Zuschauern erklärte (...es gewinnt nicht das Pferd mit dem besten "Schau"Trab,
sondern...), kam bei uns ein Fünkchen Hoffnung auf - und wirklich: TARASAN
bekam Best Condition.
Vielen Dank an die Super-Grooms Rita, Bärbel, Monique, Birgit und Cindy;
"Spediteur" Jörg; Gerhard (der die Viecherei zuhause versorgte)
und Sigrid (die auf ihren Urlaub verzichtete und meinen Job machte)!
Für alle, die genug von harten, steinigen Böden haben: nächstes
Jahr gibt's den Fasna-Trail wieder (4.-6.7.). Die Landschaft ist sehr reizvoll,
das königliche Reitsportzentrum läßt keine Wünsche offen
und organisatorisch gibt es nichts zu bemängeln (man merkt sehr deutlich,
dass Starterzahlen von 120 und mehr hier üblich sind).
Fotos von Ingrid Lether and Michael Lagendijk. Alle Fotos auf
http://www.fasnatrail.nl/foto.htm