Fasna Trail (NL) 6.7.2002
Bericht von Manuela Neumayr


Unser (Vicky Langusch's und mein) Vorhaben, heuer unseren ersten Hundertmeiler zu reiten, stand eigentlich unter keinem besonders guten Stern: unser "Wunschritt" Wels wurde leider kurzfristig abgesagt, Aigen (doch um einiges anspruchsvoller) war mir zu früh (ich konnte heuer nach einer komplizierten Fußoperation erst spät zu trainieren beginnen). Nun begann die fieberhafte Suche nach einem Ersatz. Internet sei dank - konnte die Auswahl auf zwei Ritte eingeschränkt werden - die Deutsche Meisterschaft in Eisborn bzw. die holländische Meisterschaft in Ermelo.

Nach telefonischen Recherchen und guten Ratschlägen deutscher Insider wurde Eisborn (schwierigster Boden, kein gleichmäßiges Reiten möglich...) abgehakt. Holland (speziell diese Gegend) war mir von einigen (Reit-)Urlauben ein Begriff: landschaftlich wunderschön (Naturschutzgebiet Veluwe, Heide, endlose Eichenwälder, bestens markiertes Reitwegenetz), nette, hilfsbereite und pferdefreundliche Leute. Auf der eigens für diesen Ritt installierten Homepage (www.fasnatrail.nl) gab es laufend News (Ausschreibung bereits im April!, Zufahrtsbeschreibung, super Streckenkarten in Farbe zum download, Fotos, Wettervorschau,...).

Mitten in der Vorfreude tauchte das nächste Problem auf: Gerhard, mein Mann, Groom und geübter Langstreckenfahrer konnte nicht mit - Urlaub gestrichen. So machte ich Ende Mai in einem 14-tägigen "Schnellkurs" (nächtens neben der Arbeit) den E-Führerschein, um wenigstens einmal die Fahrt sicher zu stellen. Ich bestand zwar die Prüfung, aber ohne Fahrpraxis gleich 1200km fahren?!? Da erbot sich Jörg Langusch, TARASAN gemeinsam mit CLEOPATRA in seinem Hänger zu transportieren, und ich konnte somit den "toten" Kram in den Hänger laden.

Groom wanted: wie schon so oft, rettete mich mal wieder Rita Völkl (vielen Dank an Günther, Christine und Alex, die inzwischen Rita's Kinder, Pferde, Hund, Katzen und Hühner versorgten!). Aber es wäre fad gewesen, wenn jetzt alles weitere normal gelaufen wäre: TARASAN stach 4 Wochen vor dem Ritt irgendein besonders giftiges Getier genau in die Sattellage - 2handflächengroße Schwellung - reiten unmöglich.

Rita bekam am Wochenende vor der Abfahrt eine massive Halsentzündung, TARASAN verletzte sich beim Longieren, Vicky wurde am Montag früh noch kieferchirurgisch operiert (sie litt die ganze Woche unter massiven Schmerzen) und dann am Montag abend als Draufgabe noch ein anaphylaktischer Schock bei Rita....Nach einer schlaflosen Nacht um 4 Uhr raus und zur Arbeit gefahren, um 15 Uhr noch schnell Lebensmittel eingekauft, Checkliste kontrolliert, Alex brachte eine fitte! Rita, Jörg kam und lud TARASAN ein und, und, und ENDLICH (mittlerweile 19 Uhr 30) Abfahrt!

Die Hin-(wie auch die Rück-)reise verlief angenehm, ohne besondere Stau's oder Unfälle, kein Regen, angenehm kühl für die Pferde. Zusätzlich zu den verlängerten Tankstopps mit Fressen und Saufen luden wir die Pferde in der Nacht auch ab und ließen sie eine zeitlang grasen (und die Chauffeure schlafen...) So kamen wir nach insgesamt 16 Stunden Fahrt in einigermaßen guter Verfassung an.

Leider war das Wetter grauslich - kalt, sehr windig, und Regen seit Tagen und laut Wetterprognose keine Änderung in Sicht...der Campingplatz war daher ziemlich verwaist, wer konnte schlief im Auto bzw. Rita und ich im Zelt unterm Partyzelt (welches sich mehrmals selbständig machte).

Von Joan Eikelboom ("Mädchen für Alles" und Turniersekretärin/Organisationskomitee) bekamen wir die Anlage und Hausbräuche erklärt (Paddock nur bei Tag und mit Aufsicht, Stall in der Nacht geschlossen und bewacht, etc.).

Die Anlage - das königliche Reitsportzentrum - ist großartig: 10 Hektar großes Gelände, Koppeln für Paddocks, 3 Reithallen, mehrere Dressurvierecke und Springplätze, eine Military-Strecke, 75 Gastpferdeboxen (geräumig, sauber, teilweise klimatisiert, Waschplätze mit Warmwasser), Restaurant, Duschen. Das gesamte Gelände wird penibelst gepflegt ("Golfplatz"rasen, Blumen). Die Anlage dient überwiegend zur Abhaltung von Kursen, Seminaren und Körungen. Einsteller gibt's nur von den Beschäftigten.

Bis Freitag wurde noch ein Nachwuchs-Dressur/Springkurs abgehalten, wobei sich die Holländer als sehr wetterfest erwiesen - auch strömender Regen hielt niemand vom Reiten ab.

Am Donnerstag trudelten nach und nach die ersten Distanzler ein, und der Regen machte endlich Pause. Über Mittag machten wir mit unseren Kindern einen Ausflug und am Abend erkundeten Vicky und ich per Pferd die nähere Umgebung. Gleich an das Reitsportzentrum grenzt der Veluwe-Nationalpark mit einigen 100 km markierten Reitwanderwegen an. Die Strecken fürs Turnier waren bereits fertig markiert. Der Regen war für den Heide/Sandboden gut, der Sand wurde damit etwas verdichtet und war somit nicht so tief. Unsere Pferde knüpften erste Kontakte mit den wildlebenden Rindern, die Wildschweinen bekamen wir Gott sei Dank nie zu Gesicht.

Freitag wurde es dann stressig: in der Früh nochmal Reiten, Vormittag suchten Rita und Jörg die besten Grooming-Punkte, Vicky, die Kinder und ich fuhren noch schnell einkaufen; 12 Uhr Nennen, 14 Uhr Voruntersuchung, 16 Uhr Gewichtskontrolle (70 kg), 19 Uhr Vorbesprechung. Zu meiner großen Überraschung und Erleichterung gesellten sich noch zwei Super-Grooms zu uns: Bärbel Büchting (international sehr erfahrene und erfolgreiche deutsche Distanzreiterin, sie hatte eigentlich vor, hier selbst zu reiten) und Monique Lankhaar (eine Holländerin, die viele Jahre in der Steiermark lebte, Araber züchtet und distanzerfahren ist).
Samstag waren die Stallungen ab 3 Uhr geöffnet und ab 4 Uhr gab es Frühstück. Um 6 Uhr ging es dann für 21 Starter aus 7 Nationen auf die 166 km lange Strecke.

Minimumgeschwindigkeit war 12 km/h. Vet-Gates gab es nach 36 km (30 Min. Pause), 71,5 (45 Min.), 107,5 (45 Min.), 134 (45 Min.)und 155 km (15 Min. Pause), wobei die 45 Minuten angenehm waren, da die Wege von der grooming-area (jeder Starter bekam eine abgesteckte Parzelle auf einer riesigen Wiese (natürlich auch mit "Golfplatz"rasen), mit Teich und Blumen vor einer großen, überdachten Tribüne) zur In-Time bzw. zum Tierarzt etwas länger waren.

Die einzelnen Strecken waren farbig markiert, vor den ersten Reitern fuhr ein Helfer mit einem Quadrac (eine Art "Minitraktor") voraus, um eventuell noch nachmarkieren zu können. An neuralgischen Punkten saßen Streckenposten. Verreiten war absolut unmöglich.

Bis zum ersten Gate waren noch alle relativ dicht beisammen (ca. 16 km/h), aber bereits hier brauchten einige Pferde bis zur In-Time schon recht lange. Ich konnte bereits kurz nach Melanie Arnold (SIMPLE THE BEST) als zweite In-Time anmelden (TARASAN hat ja noch in keinem Gate seiner bisher 14 Rennen länger als 2 Minuten gebraucht und das sollte sich auch hier nicht ändern).

Inge Harbach (als Chiefsteward) versuchte, uns im ersten Gate beim Absatteln noch auf unseren Grooming-Platz zu verscheuchen, hatte aber dann doch eingesehen, dass TARASAN immer sofort danach (ohne Wasserpanscherei) zum Tierarzt kann. Vicky hatte leider ein bisschen Pech, CLEOPATRA war ganz knapp drüber - nochmal vorstellen, dass kostete leider relativ viel Zeit. Da meine größte Sorge war, die geforderte Zeit nicht zu schaffen und ich daher möglichst viel Reserve schaffen wollte, beschloss ich, nicht auf CLEO zu warten. Für 4 Pferde war hier bereits Schluß (2 lahm, 1 Herzflattern, 1 Aufgabe).

Ich konnte als zweite auf die 2. Runde gehen, Vicky startete als zehnte. TARASAN lief auch auf diesen Streckenabschnitt die zweitschnellste Zeit (14,66 km/h) und bereits nach 1 Minute konnten wir zum Tierarzt, Vicky war mit 13,13 km/h auch noch gut unterwegs. Weitere 4 Pferde wurden hier wegen Lahmheit aus dem Rennen genommen (auch Melanie Arnold's SIMPLE, nachdem er unterwegs schon ein Eisen verloren hatte). Als Führende verließen wir das Gate!

Die 3. Runde war ident mit der ersten (nur umgedreht). Mittlerweile kannten die Pferde alle Wege zurück zum Vet-Gate. TARASAN war mit 14,83 km/h noch recht flott unterwegs. Für 5 Pferde kam hier das Aus: 2 lahm, 2 metabolische Probleme und leider auch nach 107,5 km für CLEOPATRA. Beim Re-Check bekam sie plötzlich Zwerchfellkrämpfe (allerdings nicht synchron mit dem Herzschlag). Sie wurde sofort tierärztlich behandelt und nach einer krampflösenden Infusion ging es ihr rasch wieder besser.

So waren's nur noch 8. Von nun an war ich alleine unterwegs. Auf der 4. Runde kam für alle der Einbruch: teilweise sehr tiefer, morastiger Waldboden kostete viel Zeit und Kraft. Für zwei weitere (die letzten verbliebenen Schweizer) war hier wegen Lahmheit Schluss.

Auch TARASAN schlurfte beim Vortraben derart lustlos dahin, dass wir zum Re-Check mussten. Da ich ziemlich starke Muskelkrämpfe hatte, war meine Stimmung bereits im Keller. Meine routinierten Grooms bauten mich wieder auf, und Rita konnte beim Vortraben TARASAN aus seiner Lethargie aufwecken (Ridgeway 44/42 - also kein Problem weit und breit).

Nun als dritte auf die vorletzte Runde mit (einzigem) Außengate. Hier büßten wir dann alle Sünden der letzten 100 Jahre ab, hügerlrauf und hügerlrunter, tiefster-mehliger Sandboden (3 Schritte vorwärts, 2 Schritte zurückrutsch), TARASAN kurz vor dem "Hungertod", im Schleichschritt Heidelbeerstauden fressend, ging es endlos dahin.

Das Auf- und Absteigen zum Öffnen und Schließen der vielen Gattertore wurde zur Mühsal, der Bauchgurt am letzten Loch, aber der Sattel rutschte beim Aufsteigen, wieder neu Satteln, eine Erhebung suchend ... die Krämpfe im rechten Bein wurden immer ärger. Sch....Hobby. Weit und breit kein Groom, kein Haus, nichts außer Wald. Gemeinsam mit einer belgischen Reiterin, die sich und ihr Pferd mit Gesängen motivierte, erreichten wir endlich das Gate.

Nach 15 Minuten intensiver mentaler Aufbauarbeit meiner Helfer ging es auf die letzten 11 km. Die belgischen Grooms (durch den Ausfall der anderen drei Reiter eine ganze Menge) waren an jeder Ecke (versorgten auch mich immer mit! wie zuvor auch die Grooms von Sophie de Beyer auf der 2. Runde) und fuhren auf den Asphaltstrecken hupend neben uns her.

Im Trab zog KACHEL von Kristel v/d Abeele und im Galopp war es umgekehrt. Vor dem Ziel meinte Kristel, sie wolle auf Sicherheit (Qualifikation für Jerez) reiten und keinen "wilden" Zielsprint ausfechten. Daher wollten wir gemeinsam reintraben, ihre Grooms feuerten sie aber derartig an, dass sie doch angaloppierte - aber TARASAN erinnerte sich noch an seine Zeit auf der Galopprennbahn - gut, dass am Ende die Tribüne stand...
Zur Nachuntersuchung schickte ich Rita, ich konnte vor Aufregung fast nicht zusehen - alles OK - dritter! Platz nach 12 Stunden und 1 Minute. Nur mehr telefonieren, duschen, schlafen... (bis 7 Uhr war der Stall sowieso geschlossen, nur die Tierärzte sahen immer wieder nach den Pferden und eine Angestellte schlief in der Stallgasse).

TARASAN war am Morgen "danach" erstaunlich fit, trotz für ihn ungewohnter Box mit tiefer Einstreu keine angelaufenen Beine. Rita meinte, ich sollte TARASAN für Best Condition anmelden. Wer TARASAN kennt, weiß, daß er beim Vortraben eher einer Schlaftablette, als einem energiesprühenden Powerpferd entspricht.
Da aber anzunehmen war, daß zumindest gedanklich bereits nach der neuen "Best Conditioned Judging Scorecard" bewertet werden würde (die die In-Time-Zeiten, Puls vom Ridgeway-Test, etc. berücksichtigt), ließ ich mich - widerwillig - überreden. Nach erfolgter Transportfreigabe - auch bei CLEOPATRA war wieder alles in bester Ordnung - mußten die Anwärter auf Best Condition Runde um Runde in der Halle traben (da es Rita's Idee war, durfte sie laufen...).

Um 12 Uhr war dann Siegerehrung in einer geschmückten Halle mit Pferd an der Hand. Als dann die Präsidentin der Vet-Komission die Best Condition-Regeln den Zuschauern erklärte (...es gewinnt nicht das Pferd mit dem besten "Schau"Trab, sondern...), kam bei uns ein Fünkchen Hoffnung auf - und wirklich: TARASAN bekam Best Condition.

Vielen Dank an die Super-Grooms Rita, Bärbel, Monique, Birgit und Cindy; "Spediteur" Jörg; Gerhard (der die Viecherei zuhause versorgte) und Sigrid (die auf ihren Urlaub verzichtete und meinen Job machte)!

Für alle, die genug von harten, steinigen Böden haben: nächstes Jahr gibt's den Fasna-Trail wieder (4.-6.7.). Die Landschaft ist sehr reizvoll, das königliche Reitsportzentrum läßt keine Wünsche offen und organisatorisch gibt es nichts zu bemängeln (man merkt sehr deutlich, dass Starterzahlen von 120 und mehr hier üblich sind).

 

Fotos von Ingrid Lether and Michael Lagendijk. Alle Fotos auf http://www.fasnatrail.nl/foto.htm

Vicky Langusch und Manu Neumayr

Vicky Langusch und Manu Neumayr

Manu Neumayr mit TARASAN

Vicky Langusch mit CLEOPATRA

Beim Check mit Dr. Fehl

Manu Neumayr und die Belgierin

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