Nun aber zur heiteren Wüstenseite:
Die erste Lektion, die ich in Dubai lerne, ist: Nix is fix. So erfahre ich gleich einmal, daß die Leihpferde erst am Tag vor dem Rennen verteilt werden und weiters, daß das Rennen überhaupt einen Tag später ist, am 21. Dafür sind die Leute alle unheimlich freundlich, die Unterbringung luxuriös, wie überhaupt ganz Dubai eine Märchenwelt ist.
Fühle ich mich am ersten Tag noch etwas allein und verloren, fällt nach und nach auch von mir der Druck ab. Ich treffe viele Freunde, die sich riesig freuen, daß ich da bin, Valerie Kanavy z.B. begrüßt mich immer, als wär ich auch ein Weltmeister, Juliette Mallison ist sowieso eine ganz liebe, von Horst Müller ganz zu schweigen (er hat mir nach der EM den Mut zum Weitermachen gegeben), auch Halvard Sommerseth ist da und unser schweigsamer Albert Dollinger, mit dem bin ich ja in Leutschach eine Zeitlang geritten.
Sundar, der Sekretär der dortigen FN (mein Kontaktmann nach Dubai, hab ihn bei der EM kennengelernt) hilft mir auch, wo er kann, und durch ihn darf ich sogar das Pferd KARIMAH bereits vorher reiten. Er ist ein sehr hübscher Araber und gehört dem Präsidenten Sheikh Zayed.
KARIMAH zeigt sich aber aufgrund des Sturms in der Nacht zuvor übernervös (nach einem olympiareifen Rollback lieg ich gleich einmal unten – sehr gut fürs Selbstbewußtsein) und ich denke, daß ich beim Start gut aufpassen muß, bis er sich beruhigt hat, dann wird alles gutgehen. Viel Informationen, wie ich reiten soll, krieg ich nicht, ich hol mir aber Tips vom Stallpersonal, alles Pakistani.
Eine der Assistenztrainerinnen dort ist sichtlich nicht begeistert, daß ich dieses Pferd reite, ich vermute, sie hätte es sonst gekriegt. Ich merke schnell, daß die Dinge, die sie mir sagt, eher dem Pferd schaden (bin ja auch nicht auf der Nudelsuppe dahergeschwommen). Die anderen Trainerinnen und vor allem der Chef Charles Edward Wilson sind aber durchwegs nett und wohlwollend.
Der Start ist wesentlich gesitteter, als ich erwaret habe, es sind genügend, die auch ruhiger beginnen wollen und ich schließe mich an, KARIMAH beruhigt sich zusehends. Ich fühl mich schon sehr sicher, als zwei aus dem gleichen Stall mich überholen. KARIMAH flippt aus und ist kaum zu bändigen, er will nach. Ich pariere zum Schritt durch und warte auf die nächsten, eine kluge Entscheidung, denn nun relaxt er wirklich und ich kann ihn am langen Zügel reiten, er geht sein Tempo, er kennt sich aus.
Ich hab ein eigenes Groomauto ständig neben mir, die Markierungsfahnen sind meterhoch, ein Verreiten ist also selbst für mich nicht möglich, auch sehr beruhigend.Flotte Liedchen auf den Lippen, spule ich die ersten 60 km ohne irgendwelche Probleme herunter und fühl mich prächtig.
Dann aber die dritte 30er Runde – die Temperatur steigt auf 45 Grad und irgendwie wird jeder km länger, ich bin sicher, es ist jeder km eigentlich 1 0km, die haben sich sicher vermessen, weit und breit nur Wüste. Dazu kommt, daß KARIMAH allein nicht richtig weitergeht, aber wenn ich langsamer reite, verdorre ich am Pferd. Da ich aber das Gefühl habe, daß er sich ein bißchen verspannt, er will rechts nicht galoppieren, trab ich lieber mit Beinwechsel. Mir fällt ein, daß dies einer der Stallburschen erwähnt hat. Das Vetgate kommt und kommt nicht, nur Kaktusbäume. Vielleicht haben sie es schon weggeräumt, mir kommt vor ich bin schon 20 Stunden unterwegs. Ich beginne, die Wasserflaschen auch über mich zu gießen, um wieder für ein paar Meter Biß zu kriegen. Das hilft ungefähr bis zum nächsten Kaktus.
Da hole ich gottlob die Dänin ein und mit dem zweiten Pferd geht KARIMAH wesentlich schneller, und wir sind endlich im Gate. KARIMAH hat keine Probleme beim Check, den Puls hat er immer gleich. Ich erwähne, daß ich glaube, er ist verspannt, bekomme aber die Anweisung, ich soll jetzt schneller reiten, er ist fit. Ich denke, die müssen das wissen, und reite nun die nächsten 19 km wirklich schneller (für mich natürlich angenehmer, Sandsturm zieht auf und ich vermute in jedem Kaktus das Vetgate, bin schon recht fertig). Vor mir sind ein paar Reiter, ich gebe Gas, aber nein, es sind Kamele. Mir dämmert, was eine Fata Morgana ist.
Endlich das Vetgate. Der amerikanische Tierarzt sagt "he walks on his heinis" (klingt für mich sehr lustig) und ich muß einen Recheck machen, ärgere mich sehr, daß ich auf diese Trainerin gehört habe. Ich verlange nach dem Stallmasseur, der eine Wucht ist, zwei Stretchings und der Muskel ist entspannt. Der Trainerin erkläre ich, sie solle jetzt den Mund halten, weil sie alles falsch sagt (bin jetzt sehr wütend). Das bringt mir ziemliche Hochachtung von den Stallburschen, die diese Trainerin sichtlich auch nicht mögen ("she is so stupid" höre ich – ganz meine Meinung).
Die letzten mörderischen 16 km reite ich, obwohl schon im Delirium, stur mit 4 Schritte rechtes Bein traben, 4 Schritte linkes Bein traben, das hab ich von Doris Frei, die hat mir erklärt, sie hat einen Muskelkrampf damit wegbekommen. Es scheint auch zu wirken, KARIMAH wird wieder lockerer und ich kann auch am Schluß rechts galoppieren.
Blöderweise machen sich nun die 100 l Wasser bemerkbar, die ich getrunken habe, und ich verspüre ein ganz dringendes Bedürfnis. Was tun aber, neben mir das Groomauto, hinter mir das Masseurauto, und weit und breit kein einziger Kaktus. Mir ist alles wurscht, ich stoppe, drücke dem Groom KARIMAH in die Hand "I must go toilette" und stürze mich hinters Groomauto, inbrünstig hoffend, daß jetzt nicht unbedingt der König vorbeikommt. Nun gehen die letzten km gleich leichter und ich bin endlich im Ziel.
Der Masseur stretcht KARIMAH nochmals durch, und ich komme mit ihm problemlos durch die Endkontrolle. Alle gratulieren und sind sichtlich beeindruckt von meiner Leistung, der Cheftrainer sagt "you have done very good work". Ich bin überglücklich und falle ins Heu und in ein tiefes Koma. Nur am Rande bekomme ich mit, daß ich 36. bin und daß viele aufgegeben haben wegen dem extrem schwülheißen Wetter (dadurch fühl ich mich erst recht als Ironwoman).
Die Prizegiving Ceremony findet wieder in der Wüste statt, es ist gigantisch, was die alles auftischen. Wir bekommen alle Superpreise, Pokal mit Uhr, Pferdedecke, Windjacke, Poloshirt usw., und nicht zu vergessen: Eine CD-Rom: in 5 Minuten Arabisch....
Nun ist nur mehr Urlaub und relaxen angesagt und ich niste mich am Meer ein...einfach traumhaft.
Diese Woche in Dubai wird für mich unvergeßlich bleiben, vor allem der immense Einsatz der UAE für unseren Sport und die herzlichen Bemühungen, alle Reiter zufriedenzustellen, haben mich tief beeindruckt.
Mein ganz besonderer Dank gilt jedoch Horst Müller, Member FEI Commitee und Sundar Rethinavel, Event-Coordinator und Sekr.der UAE Federation, sowie Mr.Faisal Seddiqu al Mutawa, Chairman der UAE-Federation, ohne deren Hilfe dieses Abenteuer nicht möglich gewesen wäre.